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Erfolgreich führen statt ­belohnen und bestrafen

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Erfolgreich führen statt ­belohnen und bestrafen

new@school | 14. Januar 2020

Wie gehen Lehrpersonen am besten mit Konflikt- und Gewaltsituationen, Unterrichtsstörungen oder Respektlosigkeit im Unterricht um? Die Hirnforschung zeigt: Bestrafung und ­Belohnung limitieren die Fähigkeit des Kindes, sich zu verändern, und untergraben die Autorität. Welche Alternativen es gibt, erfahren Sie von Thomas Richter, dem Geschäftsführer des Schweizerischen Instituts für Gewaltprävention.

Ruhe ermöglicht Veränderung

Wenn der Mensch in Stress gerät, wird die Aktivität des Frontalhirns immer mehr heruntergefahren. Für einen erfolgreichen Veränderungsprozess ist dieser Hirnteil aber essenziell. Je mehr Stress und Angst (zum Beispiel vor Strafen), desto blockierter ist der Veränderungsprozess.

Alphaposition sichern

Ruhe ausstrahlen und mit den Kindern intensiv an der Beziehung arbeiten. Regel- und Grenzverletzungen sofort und deutlich ansprechen. Danach wieder in den Ruhe- und Bindungsmodus zurückwechseln. Auf Angst basierende Methoden oder die Ausstrahlung «Achtung, ich bin gefährlich» verringern die Autorität.

Bindungsbrücken bauen

Eine gute Beziehung der Lehrperson zu den Eltern ist entscheidend. Das Kind kann von einer durch die Eltern abgelehnten Person nicht lernen und ihr auch nicht gehorchen.

Wachsen an dem, was bereits ­funktioniert

Konzentrieren Sie sich auf Momente, in denen dem Kind / der Klasse ein angemessenes Verhalten gelingt, und fragen Sie, wie es genau gelungen ist. Wenn es nicht gut läuft, blicken Sie mit den Kindern auf den gelungenen Moment zurück und besprechen, wie Sie wieder dorthin kommen.

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Zum Autor: Thomas Richter ist Geschäftsführer des Schweizerischen Instituts für Gewalt­prävention. Er und sein Team beraten ­täglich Lehrpersonen im Umgang mit ­herausfordernden Situationen und schulen Lehrpersonen, Eltern und Kinder.

Positive Momente erfolgreich verankern und abrufen

Visualisieren Sie besonders positive Momente in Form von Fotos im Schulzimmer. Schauen Sie mit den Kindern regelmässig auf ein ausgewähltes Foto mit der Botschaft: «Wir können es. Wo haben wir das heute wieder gemerkt?» Oder wenn es nicht gut läuft: «Wir können es – wie kommen wir wieder dahin, wo wir auf dem Foto waren?» Es gibt auch viele erlebnisorientierte Spiele, bei denen der gleiche Effekt erzielt werden kann (zum Beispiel mit einer grossen Menge Kapla-Holzplättchen gemeinsam als Klasse etwas bauen, und wenn dies gut gelingt, ein Foto davon im Schulzimmer aufhängen).

Positive Erfahrungen sind der wichtigste Motor für Veränderungen

Menschen – und vor allem Kinder – sind emotionale Wesen. Arbeiten Sie weniger über den Kopf (zum Beispiel Klassenrat), sondern über Erlebnisse. Gemeinschaft erleben bringt mehr, als darüber zu reden.

Blick in die Zukunft sinnvoller als in die Vergangenheit

Wenden Sie in herausfordernden Gesprächen den Blick möglichst schnell von der Vergangenheit weg in die Zukunft. Beispiel: «Was machen wir, damit es euch in der kommenden Pause gut geht?» statt «Wer hat genau was gemacht?».

Führung durch Beharrlichkeit, mit kühlem Kopf

Führen Sie mit einer klaren Linie (aber ohne Strafe und Belohnung): Ein guter Merksatz lautet: «Schmiede das Eisen, wenn es kalt ist.» Arbeiten Sie im abgekühlten Zustand am Verhalten des Kindes. Damit das Kind trotzdem mitbekommt, dass sein Verhalten nicht akzeptiert wird, können Sie sagen: «Bitte komm heute Nachmittag zu mir – ich werde dann nochmals darauf zurückkommen.»

Fordern Sie unnachgiebig das gewünschte Verhalten ein – immer wieder. Versetzen Sie das Hirn des Kindes in einen andauernden Suchprozess nach Lösungen.

Erwachsene arbeiten geschlossen ­zusammen

In schwierigen Situationen ist es wichtig, dass die Erwachsenen gut zusammenarbeiten. Sitzen Sie ohne Kind mit den Eltern zusammen und erarbeiten Sie mit diesen eine gemeinsame Haltung. Diese wird dann dem Kind gemeinsam mitgeteilt.

Ein gröberes Vergehen im Französischunterricht wird beispielsweise am gleichen Tag auch noch von der Klassenlehrperson, der Heilpädagogin, der Schulleitung und zuhause von den Eltern angesprochen. Das System der Erwachsenen zeigt dem Kind dadurch eine klare Haltung – immer wieder, bis sich das Verhalten ändert.

Und wenn die Eltern nicht mitmachen? Wenn eine solche Zusammenarbeit zwischen den Lehrpersonen funktioniert, sind wir schon auf einem sehr guten Niveau!

Fehltritte wiedergutmachen

Richtet ein Kind einen Schaden an, soll es diesen wiedergutmachen. Wie das erfolgt, kann es selbst entscheiden. Wichtig ist, dass die Wiedergutmachung angemessen ist. Sagen Sie dem Kind: «Bitte überleg dir bis morgen eine Lösung.»

Interesse am Thema?

Das Schweizerische Institut für Gewalt­prävention (SIG) bietet schulinterne Weiterbildungen an. Viele Ideen sind auch in der Broschüre «Herausfordernde Situationen wirksam entschärfen» enthalten. Sie kann unter sig-online.ch im Shop bestellt werden. Auf der Website finden Sie weitere Informationen und Kontaktdaten.

Gut auf die Eskalation vorbereiten

Erarbeiten Sie mit den Kindern in ruhigen Momenten viele Ideen für schwierige Situationen (zum Beispiel: «Was kann man machen, wenn jemand nervt?»). So können Sie während der schwierigen Situation nur noch vor der Ideensammlung stehen und mit dem Kind durchgehen, welche Lösung gerade aktuell aus seiner Sicht am meisten Sinn macht.

Selbstwirksamkeit erfahren

Etablieren Sie die Haltung, dass man Kinder nicht verändern kann. Man muss sich mit dem Gegenüber arrangieren. Sagen Sie den Kindern, dass nicht einmal sie einen Menschen verändern können. Sie können nur anders mit ihm umgehen. So sinkt die Erwartungshaltung und die Kinder kommen immer mehr zum Schluss, dass sie selber zu Streitigkeiten auch ihren Beitrag leisten.


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