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Mehr Sonne, weniger Blitz und Donner

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Mehr Sonne, weniger Blitz und Donner

new@school | 15. September 2020

Das neue Schuljahr läuft und viele Primarlehrpersonen haben zum ersten Mal eine Klasse übernommen. Wie auch erfahrenere Kolleginnen und Kollegen dürften sie hin und wieder vor der Frage stehen: Was tun, wenn die Klasse unkonzentriert wird – und wie kann ich dem vorbeugen?

Unruhe vermeiden

In einem guten Lernumfeld kommt es seltener zu Unruhe. Folgende Strategien helfen, ein solches zu schaffen.

Haltung und Auftreten der Lehrperson

Wenn Sie selbstbewusst und authentisch vor die Klasse treten und Strukturen vorgeben, vermittelt das den Kindern das Gefühl, dass Sie die Situation kontrollieren. Gleichzeitig gilt es, offen für die Bedürfnisse der Kinder zu sein und gelassen auf Unvorhergesehenes zu reagieren. Wenn die Lehrperson selbst ruhig ist und eher sanft spricht, färbt das auf die Klasse ab.

Konzentrationsspannen beachten

Die Intensität und Dauer der Konzentrationsfähigkeit variiert je nach Alter und Kind stark. Die Faustregel lautet: Kinder sind gewöhnlich in der Lage, ihr doppeltes Lebensalter in Minuten konzentriert zuzuhören oder zu arbeiten – eine Vierjährige also rund 8 Minuten, ein Achtjähriger 16 Minuten und so weiter. Neben Alter und individuellen Faktoren hängt die Konzentrationsspanne auch von der jeweiligen Aufgabe ab.

Klare Regeln kommunizieren

Damit die Kinder wissen, was von ihnen wann erwartet wird, müssen bestimmte Regeln gut kommuniziert werden, etwa mit Beispielen und visuellen Hilfen. Dieses Regelsystem sollten Sie den Fachlehrpersonen mitteilen und auch den Eltern erklären, zum Beispiel am Elternabend oder in einem Infoblatt.

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Lektionen in Sequenzen gliedern

Ein in klare Sequenzen gegliederter Unterricht ­ermöglicht es Ihnen, die Konzentrations- und Pausenphasen zu planen. Dabei muss beachtet werden, wie lang diese Phasen sein sollten – siehe Konzentrationsspannen. Werden die Phasen visuell unterstützt, etwa mit einem Ampelschema, wissen die Kinder, was gerade angesagt ist. Diese Ampel wird gut sichtbar im Schulzimmer aufgestellt.

Sitzordnung optimieren

Um die beste Sitzordnung zu finden, müssen Sie die Klasse zuerst kennen lernen: Wer weist welche Lernbedürfnisse auf? Welche Kinder passen in ihrem Lernverhalten gut zueinander? Es gilt, die Sitzordnung hin und wieder zu überdenken. Individuelle Lösungen dürfen im modernen Schulzimmer Platz haben, und für weitere Überlegungen kann heilpädagogische Unterstützung beigezogen werden.

«Tagesmenü» besprechen

Das Vorbesprechen einer Woche, eines Tages und einer Lektion gibt Sicherheit und motiviert. Die Kinder wissen, was sie erwartet, und können sich darauf einstellen.

«Alle Augen zur Lehrperson»

Informationen, welche die ganze Klasse betreffen, sollten Sie erst vermitteln, wenn die Aufmerksamkeit aller vorliegt. Diese muss aktiv eingefordert werden, etwa mit einem akustischen Signal oder einem Lied.

Wenn es doch unruhig wird

Es ist normal, dass jede Klasse täglich ruhige und weniger ruhige Phasen hat. Das hängt von vielen Faktoren ab, die Sie nicht alle beeinflussen können. Aber diese Strategien helfen, darauf souverän zu reagieren:

Akustische Signale

Das Erklingen eines stets griffbereiten «Es ist mir zu laut»-Glöckchens oder eines anderen akustischen Hilfsmittels kann signalisieren, dass der Lautstärkepegel zu hoch geworden ist.

Wetterkarte

Feedbacks sind wichtig und helfen, Verhaltensänderungen herbeizuführen. Sie können den Kindern anhand einer Wetterkarte aufzeigen, wie ihr Verhalten als Klassenverbund oder einzeln gerade wahrgenommen wird. Man startet immer bei Sonne – ziehen Wolken auf, ist das Verhalten nicht mehr ganz regelkonform. Bei Blitz und Donner ist die Grenze überschritten.

Musik und musikalische Bewegungsspiele

Musik aktiviert weite Bereiche des Gehirns und weckt Assoziationen und Emotionen. Sie lockert und ermöglicht Denkpausen. So können Sie ein Bewegungslied wie «Jepo i tai tai je» anstimmen, um unruhige Momente in der Klasse zu durchbrechen, und die Kinder so zu einer Bewegungspause animieren. Wer selbst nicht gerne singt, kann sich ein Klatsch- oder Becherspiel überlegen.

Bewegung

Frische Luft tut gut und klärt den Kopf. Das kommt beim «Runde ums Schulhaus»-Laufen zum Tragen: Nach einer Einführung (kein Lärm im Treppenhaus, kein Grimassenschneiden vor anderen Schulzimmern etc.) kann diese Strategie sehr hilfreich sein. Weiter gehört heute eine Bewegungsecke in jedes Schulzimmer, mit Springseil, Jonglierbällen und Balanceboard. Auch da ist es wichtig, dass die Kinder sorgfältig eingeführt wurden und die Regeln kennen.

Wahrnehmungs- und Aufmerksamkeitsförderungsspiele

Beim «Geräusche einfangen»-Spiel öffnen Sie das Fenster, und die Kinder konzentrieren sich mit geschlossenen Augen auf die Geräusche, die zu hören sind. Das bedingt natürlich absolute Ruhe im Schulzimmer. Danach werden die gesammelten Geräusche zusammengetragen und es lässt sich meist angenehm weiterarbeiten. Auch ein Klatsch- und Trommelspiel hilft, sich wieder besser zu konzentrieren: Sie oder ein Kind geben einen Rhythmus vor, den die Klasse wiederholt.

Die Suche nach dem Grund

Wenn sich die unerwünschte Situation nicht lösen lässt, ist der Grund dafür zu suchen. Es kann an der Tagesform oder an wichtigen Ereignissen im Leben der Kinder liegen, an Über- oder Unterforderung, an Stress . . . Wenn bei einem Kind immer wieder störendes Verhalten auftritt, ist es sinnvoll, das mit den Eltern und den Fachlehrpersonen zu themati­sieren und eine Abklärung ins Auge zu fassen.

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Zu den Autorinnen

Isabelle Berchtold-Schnyder absolvierte die Ausbildung zur Primarlehrerin und ­Schu­lischen Heilpädagogin. Sie ist als Schulleiterin und Heilpädagogin an der Schule Hasliberg (BE) tätig. Durch ihre beiden Rollen im Schul­alltag erhält sie ­vielseitige ­Einblicke in verschiedenste Klassenzimmer und Klassengeschehen. Ganz nach dem Motto share the best practice tauscht sie sich mit ihrem Team aus.

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Dr. phil. ­Romaine Schnyder ist Fachpsychologin für Psycho­therapie. Sie leitet seit rund zehn Jahren das Walliser ­kantonale Zentrum für Entwicklung und Therapie des Kindes und Jugendlichen (ZET), in dem Psychologinnen und Psychologen, Logopädinnen und Logopäden sowie Psychomotoriktherapeutinnen und -therapeuten arbeiten. Sie ­amtet zudem als Vizepräsi­dentin der interkantonalen Leitungskonferenz im Bereich Schulpsychologie (SPILK).