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«Jede Woche nutzen ­mehrere ­hunderttausend Lernende unseren Algorithmus»

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«Jede Woche nutzen ­mehrere ­hunderttausend Lernende unseren Algorithmus»

VocaTrainer | 10. Januar 2022

Ein cleverer Algorithmus aus den Niederlanden gepaart mit unserer didaktischen Expertise: Daraus entstand der VocaTrainer. Erfinder des Algorithmus ist Hedderik van Rijn. Wir haben den 49-jährigen Uni-Professor und Firmengründer zum Gespräch via Zoom getroffen.

Hedderik van Rijn ist Professor an der renommierten nieder­ländischen ­Universität Groningen und Gründer der Firma Slim­Stampen, die gemeinsam mit dem Verlag den VocaTrainer entwickelt hat.

Die Firma SlimStampen ist ein Spin-off der niederländischen Universität Groningen und beschäftigt insgesamt sechs ­Personen. Gründer ist Hedderik van Rijn, Professor für kognitive und Neurowissenschaften und Empfänger des ange­sehensten individuellen Forschungsstipendiums der nieder­ländischen Regierung. Der Algorithmus, den die Firma entwickelt hat, heisst auch SlimStampen. Slim ­bedeutet «schlau» auf Nieder­ländisch, stampen «stampfen» oder auch «in den Kopf ­hämmern». Frei übersetzt ­bedeutet SlimStampen also, sich etwas auf schlaue Art in den Kopf zu hämmern.

Herr Professor van Rijn, wenn Sie den VocaTrainer in einem Satz beschreiben ­müssten: Wie würde ­dieser lauten?

Hedderik van Rijn: Mit dem VocaTrainer haben Lernende quasi ihren persönlichen Vokabellehrer, der ihnen so hilft, wie es für sie am besten ist, um den gewünschten Stoff zu lernen.

Haben Sie selbst schon Wörter mit unserem Voca­Trainer gelernt?

Ich habe das Tool tatsächlich schon verwendet, um mein Deutsch zu verbessern. Meine Frau ist Deutsche, und unser achtjähriger Sohn spricht besser Deutsch als ich! Der Algorithmus eignet sich auch für ganz andere Sachen. Ich habe zum Beispiel mit SlimStampen – so heisst das Tool bei uns, und so heisst auch meine Firma – auch schon die deutsche Geografie geübt.

Wofür wird SlimStampen noch verwendet?

In den Niederlanden etwa nutzen Lehrpersonen unser Tool, um noch vor dem Schuljahr die Namen ihrer Studierenden zu lernen. Im System sind dafür die Namen und Gesichter implementiert. Der Algorithmus eignet sich überall dort, wo es um Fakten geht.

Wie kamen Sie dazu, SlimStampen zu entwickeln?

Am Anfang stand eine Wette. Im Jahr 2007 begannen wir damit, Erkenntnisse aus kognitiven Gedächtnistheorien in ein Tool umzusetzen, das für die Schule nützlich war. Ich war überzeugt, dass diese Idee ausserhalb des Labors nicht funktionieren würde. Ich habe mich geirrt!

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Mittlerweile gibt es einen VocaTrainer für folgende Lehrwerke: «Ça roule» (Bild), «Young World», «New World» und «Open World». Ende Januar folgt er für «C’est ça».

Was ist das schönste Feedback, das Sie je bekommen haben?

Wenn man kognitive Wissenschaften so implementieren kann, dass sie das Leben von Menschen verbessern, wird es interessant, und mit unserem Tool erreicht man deutliche Verbesserungen. Die meisten Schülerinnen und Schüler lernen nicht gerne Fakten wie etwa Vokabeln – wir wollten ihnen ein Werkzeug geben, mit dem es Spass macht und das effektiv ist. So haben sie mehr Zeit zum Spielen. Meine grösste Freude war, als mein Sohn mir sagte, dass er mit meinem Tool einigermassen gerne das Einmaleins lernt!

Erfreulich ist auch das Feedback vieler Eltern: Wenn ihre Kinder die Schule wechseln und mit einem neuen Tool arbeiten, fragen sie uns, ob und wie sie weiter Zugang zu SlimStampen haben können. Das zeigt, dass das System beliebt ist.

Was macht Ihr Programm besser als andere?

Die meisten Programme beachten nur die Korrektheit der Antwort. Wenn ich Sie frage: «Was ist die Hauptstadt von Frankreich?», müssen Sie nicht lange überlegen und antworten sofort mit «Paris». Wenn ich Sie nach der Hauptstadt von Finnland frage, wissen Sie zwar die Antwort, müssen aber vielleicht ein bisschen länger studieren, bis Ihnen «Helsinki» einfällt. Es bringt nichts, wenn das Tool Sie nochmals nach der Hauptstadt von Frankreich fragt, aber es macht durchaus Sinn, nochmals die Hauptstadt von Finnland zu üben. Unser Tool berücksichtigt auch die Reaktionszeit, weil diese ebenfalls Auskunft darüber gibt, wie gut etwas schon sitzt.

Was haben Sie mit SlimStampen als Erstes umgesetzt?

Wir haben mit einem Tool für Französisch–Niederländisch begonnen, sehr bald folgten Biologie-Fakten. Wir haben gemerkt, dass man im Fach Biologie extrem viele Fakten kennen muss. 2014 begann die Zusammenarbeit mit einem niederländischen Verlag. Jede Woche nutzen mehrere hunderttausend Lernende via den Verlag unseren Algorithmus, hauptsächlich, um Sprachen zu lernen.

Sie haben Studien gemacht, um die Wirksamkeit Ihrer Erfindung zu überprüfen?

Genau, wir haben in Studien an der Universität Groningen und an der Washington State University in Seattle SlimStampen mit anderen Algorithmen verglichen. Wer mit unserem Tool arbeitet, schneidet um 10 bis 20 Prozent besser ab als mit anderen Systemen. Das ist eine grosse Verbesserung.

Stimme zum VocaTrainer

Den VocaTrainer erlebe ich als Entlastung im Unterricht. Die Kinder können in ihrem individuellen Tempo arbeiten. Das Programm übt immer wieder die Wörter, mit welchen die Kinder noch am meisten Mühe haben. Die Kinder arbeiten meiner Beobachtung nach gerne mit dem VocaTrainer, da sie eine unmittelbare Rückmeldung erhalten, ob ein Wort richtig oder falsch ist.

Die Schülerinnen und Schüler arbeiten oftmals am VocaTrainer, wenn sie Aufgaben im Cahier oder Entraînement beendet haben. Da ist es sehr praktisch, kann man bei jedem Kind die Zeit zum Üben einstellen.

Ich finde das Programm im ­Allgemeinen sehr gut, brauche aber bis jetzt nur die Übungsart ­«Fran­zösisch hören, deutsches Wort auswählen», da die Kinder die Wörter nicht schreiben können müssen und mit diesen Übungen auch das Gehör geschult wird.

Matthias Egger, Kreisschule HOEK (Halten, Oekingen, Kriegstetten)

Was wollen Sie in Zukunft noch entwickeln?

Derzeit haben wir ein Projekt am Laufen, bei dem wir schauen, wie gute Schülerinnen und Schüler lernen und wie weniger gute. Diese Erkenntnisse sollen in SlimStampen einfliessen. Sprachbasiertes Lernen interessiert uns ebenfalls: Die Idee ist, dass die Studierenden die Antwort sprechen können. Das ist vor allem für jüngere Kinder hilfreich. Wir beschäftigen uns auch mit Dyslexie (Lese-/Rechenschwäche) und dem Trainieren der Aussprache. Heute ist es so, dass die Kinder das nur im Unterricht gemeinsam mit der Lehrperson üben können. Mein Ziel ist, dass dies auch zuhause mithilfe von SlimStampen geht. Ein weiteres Projekt befasst sich mit Alzheimer: Erstes Anzeichen für die Krankheit ist, wenn die Leute Fakten vergessen. Die Idee ist, dass sie mit unserem Tool alle zwei Wochen einen Test machen und man so erkennt, ab wann weitergehende Massnahmen wie Medikamente etc. nötig sind.

In der Schweiz arbeiten Sie exklusiv mit Klett und Balmer zusammen. Warum?

Ich habe gerne eine enge Verbindung zu den Firmen, mit denen ich zusammenarbeite. Der Verlag und ich, wir beide wollen in etwas investieren, das den Lernenden wirklich weiterhilft. Und beiden Seiten ist es wichtig, die Art des Lernens zu verbessern. Deshalb haben wir gemeinsam mit Klett und Balmer den Algorithmus weiterentwickelt und an die Bedürfnisse des Verlags angepasst; daraus ist der VocaTrainer entstanden. Es ist schön zu sehen, dass ein System, das in den Niederlanden entwickelt wurde, auch in der Schweiz funktioniert.

klett.ch/digital