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In der Schule ­integriert – und danach?

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In der Schule ­integriert – und danach?

Arbeitsmarkt | 14. Mai 2019

Die Leiterin der Sozialberatung von Pro Infirmis ­erläutert in diesem Beitrag, warum die schulische Integration die Regel sein sollte und wie sich der Arbeitsmarkt verändern muss.

Zur Autorin

Annette Wilson ist Leiterin ­Sozialberatung bei Pro Infirmis Zürich.

Die Anfrage war typisch für das Thema schulische Integration: Eine verzweifelte Mutter erzählte, sie sei eben von der Schulpflege darüber informiert worden, dass eine Integration ihrer Rollstuhl fahrenden Tochter mit offenem Rücken in den Kindergarten nicht realisiert werden könne. Das Kindergartengebäude sei nicht rollstuhlgängig, einen entsprechenden Lift und eine Sicherung der Umgebung müsse die Familie selbst bezahlen.

Der Information der Schulpflege fehlte jegliche gesetzliche Grundlage. Als Sozialarbeiterin bei Pro Infirmis Zürich intervenierte ich umgehend, und die Schule baute noch vor Beginn des Schuljahres den Kindergarten behindertengerecht um. Die Vierjährige konnte sich schliesslich wie alle anderen Kinder auf den Eintritt in den Kindergarten freuen.

Seit der Einführung der integrativen Schulung im Kanton Zürich sind einige Jahre vergangen und es hat sich viel getan: Eine Vielzahl von Strukturen und Hilfsangeboten wurde geschaffen. Die Regelung des Volksschul­gesetzes – Integration für alle Kinder als Normalfall, Separation in begründeten Ausnahmefällen (bei schwerster kognitiver Beeinträchtigung oder ständiger 1:1-Betreuung) – wird umgesetzt. Die Schulpflegen kennen die Gesetze und Zuständigkeiten mittlerweile – das schliesse ich daraus, dass es weniger Anfragen wie oben stehende gibt.

Für Eltern ist es oft anspruchsvoll, mit einer Vielzahl von Fachleuten, die sich auch nicht immer einig sind, konfrontiert zu sein. Pro Infirmis bietet sich als neutrale Stelle an, welche die rechtlichen Grundlagen und die vorgesehenen Strukturen und Abläufe der Schule kennt. Es ist uns ein grosses Anliegen, dass die passende Lösung für jedes Kind gefunden wird und eine Sonderschule immer eine fachlich begründete Ausnahme darstellt.

Regelschule fördert Selbstständigkeit

Studien haben nachgewiesen, dass der Besuch der Regelschule für Kinder mit Einschränkung entwicklungsfördernd ist – sei es in der Motorik, Sprache oder Sozialkompetenz. Damit erhöhen sich ihre Chancen, im Erwachsenenleben mit weniger Unterstützung klarzukommen. Wenn es selbstverständlich wird, dass Kinder mit Behinderung zum Freundeskreis gehören, ist das ein wichtiger Schritt für die ganze Gesellschaft in Richtung Inklusion.

Schwierige Übergänge in die Arbeitswelt

Der Übergang in die Arbeitswelt ist und bleibt eine grosse Herausforderung. Bei Pro Infirmis sehen wir immer wieder, dass junge Menschen integrativ beschult werden, für die Berufsausbildung auch vielfältige Unterstützungsangebote der IV erhalten – von Anlehren bis zu individuellen Stütz- und Fördermassnahmen oder Barrierefreiheit beim Studium. Wenn sie danach in den Arbeitsmarkt entlassen werden, werden die IV-Massnahmen abgeschlossen. Oft finden diese Menschen beim Ende eines Arbeitsverhältnisses keine weitere Anstellung, und es bleibt der Gang zum RAV und schliesslich zur Sozialhilfe. Hier besteht Handlungs­bedarf. Es braucht einen Arbeitsmarkt, der sich wie die Schule der Inklusion verschreibt. Für Arbeitgeber braucht es Aufklärung, Unterstützung und Fachwissen, damit sie ermutigt werden, Menschen mit Behinderung anzustellen. Dann kann die Bereicherung, die unsere ­Gesellschaft durch Vielfalt erfährt, erst sichtbar werden.

Oftmals brauchen Erfolgsgeschichten nebst gutem Willen auch einfach mehr Zeit, wie das Beispiel einer jungen Frau mit Lernbehinderung zeigt: Sie konnte nach einigen Jahren Tätigkeit in einer Gärtnerei ihre Leistung so weit steigern, dass eine Lohnerhöhung und damit eine Reduktion der IV-Rente möglich wurde.

www.integrationundschule.ch


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