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Die Nerven verloren?
Im letzten «Rundgang» zeigte Classroom-Management-Experte Christoph Eichhorn auf, wie man bei Unterrichtsstörungen interveniert, um ein Eskalieren zu vermeiden. Was tun, wenn das nicht geklappt hat? Die folgenden Leitlinien für ein Einzelgespräch helfen Lehrpersonen weiter.
- Veröffentlicht:17.05.2023
- Autorin:Externer Beitrag
- Bild:iStock.com/Zinkevych, zVg
Mit Unterrichtsstörungen immer ruhig und professionell umzugehen, ist extrem anspruchsvoll. Wenn Sie emotional reagiert und ein Kind vor der Klasse zurechtgewiesen haben, dabei vielleicht laut geworden sind, empfiehlt sich ein Einzelgespräch. Wichtig ist dabei, vorher zurück zur inneren Balance zu gelangen. Es bringt nichts, ein solches Gespräch aufgeregt und verärgert zu führen. Dann kann man nur schwer Empathie mobilisieren und die richtigen Worte finden. Die folgenden Tipps sind zwar nummeriert, stellen aber lediglich mögliche Aspekte eines solchen Einzelgesprächs dar. Suchen Sie sich bitte je nach Situation aus, was stimmig erscheint.
1. Den eigenen Fehler zugeben
Die Gesprächseinleitung kann zum Beispiel lauten: «Es war falsch, dass ich so vor der Klasse mit dir gesprochen habe. Das tut mir leid.»
2. Das Kind auf seine Emotionen ansprechen
Vergewissern Sie sich, ob beim Kind negative Emotionen vorhanden sind. «Hat dich das geärgert/genervt?»
3. Verständnis zeigen
Lautet die Antwort Ja, können Sie sagen: «Das kann ich gut verstehen. Es würde mich auch nerven.»
4. Sich entschuldigen
«Bitte entschuldige, ich wollte dich wirklich nicht ärgern.» Vielleicht ist diese Ergänzung noch sinnvoll: «Du weisst ja, dass es mir wichtig ist, dass sich in der Klasse alle wohlfühlen.» Das haben Sie zu Beginn des Schuljahrs dargelegt.
5. Erklären
Mit einer Ich-Botschaft können Sie verständlich machen, wie es dazu kam, etwa: «Ich hatte einen schlechten Tag.» Und hinzufügen, dass das keine Ausrede sein soll.
6. Bemühungen versichern
«Ich werde mich darum bemühen, dass das nicht mehr passiert. Ich kann es aber leider nicht versprechen.» Ideal ist, wenn an diesem Punkt zudem vereinbart wird: Was kann das Kind tun, wenn das erneut vorkommt? Zum Beispiel: es Ihnen gleich sagen.
7. Hilfe anbieten
Sollte das Kind weiterhin unzufrieden oder unglücklich wirken: «Was kann ich tun, dass es dir wieder besser geht?» Und eventuell: «Ich kann mich auch vor der Klasse bei dir entschuldigen – was meinst du dazu? Würde dir das helfen?»
Zum Autor
Der Diplom-Psychologe Christoph Eichhorn arbeitete viele Jahre im Schulpsychologischen Dienst Graubünden. Dadurch stiess er auf das amerikanische Classroom-Management. Er etablierte diesen Ansatz im deutschsprachigen Raum und hat mehrere Bücher dazu verfasst. Mehr zum Umgang mit Unterrichtsstörungen ist insbesondere in diesen beiden Titeln zu finden: «Classroom Management Basiswissen kompakt: Stören» (2018) und «Mit Psychologie ins Klassenzimmer. Leichter und lockerer unterrichten» (2022).
Christoph Eichhorn ist Lehrbeauftragter für Classroom-Management an Universitäten und PHs sowie in der Fortbildung von Lehrpersonen, und er berät Schulen dazu.
8. Klarstellen
«Ich will, dass wir gut miteinander auskommen.» Das klarzustellen, kann zu einem versöhnlichen Abschluss des Gesprächs führen.
9. a) Störungen thematisieren
Wenn das Kind sich oft unangemessen verhält, gilt es aber, dies ebenso anzusprechen: «Du stehst häufig auf und läufst durch die Klasse.» Am besten teilen Sie in einer Ich-Botschaft mit: «Weisst du, das lenkt mich ab. Und die anderen Kinder ebenfalls. Dann können sie nicht mehr so gut lernen. Ich möchte, dass ihr in meiner Klasse alle gut lernen könnt. Lass uns nächste Woche darüber sprechen, wie es dir gelingen kann, mehr am Platz zu bleiben.»
9. b) Erfolge registrieren
Jetzt bietet es sich an, bis zum nächsten Gespräch darauf zu achten, ob es dem Kind schon gelingt, länger am Platz zu bleiben. Es zum gegebenen Zeitpunkt kurz ansprechen, zum Beispiel: «Da ist es dir ja in der Stunde gelungen, am Platz zu bleiben, prima – war es schwierig?» Oder: «Wie hast du das geschafft?» Also lösungsorientiert vorgehen. Das ermöglicht es, beim nächsten Gespräch an die Erfolge des Kindes anzuknüpfen, statt es auf seine Misserfolge beziehungsweise Fehler anzusprechen.
10. Konflikt mit den Eltern vermeiden
Es ist damit zu rechnen, dass das Kind zuhause von dem Vorfall erzählt und seine Eltern verärgert über Ihr Verhalten sind und weiteren Personen davon berichten. Dann könnte der Vorfall zu einem lang anhaltenden Problem werden. Es empfiehlt sich also, die Eltern anzurufen und ihnen zu erläutern, was geschehen ist. Zu sagen, dass es nicht okay war, dass es Ihnen leidtut und dass Sie sich beim Kind entschuldigt haben beziehungsweise das noch tun werden. Dass Sie sich bemühen, dass es nicht wieder vorkommt – und dass dies aber nicht garantiert werden kann. Am besten bitten Sie die Eltern, Sie in diesem Fall zu kontaktieren. So grenzen Sie das Risiko ein, dass Eltern negative Emotionen Ihnen gegenüber aufbauen.
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