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Kolumne

Hindernisse

Seit unsere Kolumnistin Marah Rikli mit einem behinderten Kind unterwegs ist, stellt sie fest: Menschen mit Behinderungen sind in vielen Belangen noch immer benachteiligt und ausgeschlossen.

Zur Autorin

Marah Rikli ist Buchhänd­lerin, Autorin und Journalistin. Sie hat einen Sohn (17 Jahre) sowie eine Tochter (7 Jahre), die mit einer Entwicklungs­störung auf die Welt kam. Hier schreibt sie über ihr Leben mit einem Kind mit Behinderung.

Vor Ronjas * Geburt ging ich davon aus: Wer ein Tram-Ticket kauft, kann das nächste Tram benutzen, ausser vielleicht die Verbindung fällt aus. Dass dem nicht so ist, wurde mir bewusst, als ich fast täglich mit meinem 20 Kilo schweren Kind im Kinderwagen an der Tram-Haltestelle stand. Ticket hin oder her: Oft mussten wir mehr oder weniger lange warten, bis ein Tram ohne Treppeneinstieg kam. Mittlerweile schafft Ronja praktisch jeden Weg zu Fuss und wir nehmen den Wagen nur noch in die Ferien mit. Für Menschen mit einem Rollstuhl jedoch ist das, was ich mit Ronja ein paar Jahre lang erlebte, Alltag.

Seit ich darauf achte, was für mich als nicht behinderten Menschen alles «normal» und «zugänglich» ist, andere Menschen jedoch behindert und ausschliesst, sehe ich überall Hindernisse: Kürzlich besuchte ich mit meiner Tochter eine Zahnarztpraxis, die auf Kinder mit Behinderungen spezialisiert ist. Sie liegt im 3. Stock eines alten Gebäudes – einen Lift gibt es nicht. Zur Etage unserer Kinderarzt-Praxis hat es zwar einen Lift, dieser ist aber so klein, dass gar kein Rollstuhl darin Platz hat. Ein Bahnhof, den wir regelmässig nutzen, ist gerade im Umbau, der Zugang zum Gleis ist nur über ein Gerüst mit Treppen möglich, der rollstuhlgängige Weg dauert mindestens zehn Minuten länger. Oder die Kinder-Spielplätze in der Schweiz: Nur wenige sind hindernisfrei, auch wenn Untersuchungen zeigen, dass diese Spielplätze alle Kinder besser fördern. Und die Schulhäuser oder Kitas? Sind sie nicht oft voller Hindernisse sowohl für Kinder mit einer körperlichen Behinderung wie auch für solche mit Lernschwierigkeiten?

In Bezug auf andere Hindernisse herrscht ebenfalls viel Unwissen. Sind Kinderlesungen und -theater in den Buchhandlungen oder einem Gemeinschaftszentrum wirklich für alle Kinder möglich? Im besten Falle sind sie rollstuhlgängig, aber für gehörlose Kinder steht kaum je eine Gebärden-Dolmetscherin auf der Bühne. Und bietet Ihr Lieblingsrestaurant eine Karte für sehbehinderte Menschen an? Meines nicht, obwohl in der Schweiz über 300 000 Menschen mit einer Sehbehinderung leben.

Beginnt man den Blick zu verändern und die Dinge zu hinterfragen, wird unweigerlich sichtbar: Menschen mit Behinderungen sind in vielen Belangen noch immer benachteiligt und ausgeschlossen; und sie werden bei der Planung und Umsetzung von Bauten, Veranstaltungen und vielen alltäglichen Dingen schlicht vergessen.

Die Aufmerksamkeit, das Bewusstsein und die Sensibilisierung von Menschen ohne Behinderungen sind nur ein erster Schritt, damit unsere Gesellschaft inklusiver wird. Menschen mit Behinderungen, und zwar schon Kinder im Alter meiner Tochter oder jünger, sowie Jugendliche aktiv in Projekte zu integrieren, sehe ich als genauso wichtig an. Denn wer betroffen ist, weiss nun mal am besten, wo und wie er benachteiligt ist und was es braucht, dass dem nicht mehr so ist.

* Ronja heisst mit richtigem Namen anders.


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