- Aussensicht
Checkliste Antidiskriminierung
Geschlechteridentität und sexuelle Orientierung
Was können Sie als Lehrperson gegen Diskriminierung und Ausgrenzung von Schwulen, Lesben und trans*Menschen tun? Diese Checkliste von Lukas Geiser hilft, eine inklusive und geschlechterbewusste Pädagogik umzusetzen.
- Veröffentlicht:11.01.2021
- Autorin:Externer Beitrag
- Bild:iStock.com / FG Trade
«Schwuchtel», «Transe» oder «schwule Sau» wird von Jugendlichen oft synonym verwendet für alles, was sie als unangenehm, störend oder bedrohend empfinden. Zum Beispiel «schwule Hausaufgaben» oder «Die ‹Schwuchtel› hat wieder einen Sechser in der Prüfung gemacht». Begriffe werden stellvertretend zum Instrument der sozialen Kontrolle, zur Abwertung und Ausgrenzung anderer. Die negative Wertung, die mit der Wortwahl transportiert wird, erschwert nicht nur Jungen oder Mädchen, die gleichgeschlechtlich lieben, das Coming-out, sondern auch ihren heterosexuellen Peers einen Zugang zu Teilen ihrer Gefühlswelt sowie freundschaftlicher Verbundenheit und körperlicher Nähe untereinander.
Trotz aller medial und gesellschaftlich dargestellten Toleranz bleibt gegenüber Schwulen, Lesben oder trans*Menschen eine Einstellung, die geprägt von Verunsicherung, Ablehnung und Vorurteilen ist. Wie können Sie als Lehrperson der Diskriminierung und Ausgrenzung entgegenwirken? Oder anders gefragt: Wie setzen Sie eine inklusive, geschlechterbewusste Pädagogik um?
Den eigenen Standpunkt reflektieren und eine professionelle Haltung weiterentwickeln
Die eigenen Vorstellungen und Werthaltungen prägen das Verhalten als Lehrperson. Unsicherheit im Umgang mit dem Thema der Geschlechteridentität und sexueller Orientierung oder persönliche Widerstände sind Aspekte, die dazu führen können, dass bei Beleidigungen unter Jugendlichen nicht interveniert oder das Thema ausgelassen wird. Es hilft, sich mit Fragen von Geschlecht und sexueller Orientierung auseinanderzusetzen, über eigene Begrenzungen, fehlende Bezüge oder auch moralische Wertungen in der eigenen Sprache nachzudenken und sich zudem Wissen zu körperlicher, sexueller und geschlechtlicher Vielfalt anzueignen.
Zum Autor
Lukas Geiser ist Sexualpädagoge und unterrichtet an der PH Zürich Sexualpädagogik sowie Prävention und Gesundheitsförderung. Seit zwanzig Jahren beschäftigt er sich mit dem Thema Sexualpädagogik. Lange war er bei «Lust und Frust, Fachstelle für Sexualpädagogik» und in der Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie Jugendarbeit tätig.
Lukas Geiser absolvierte einen MAS in «Adult and professional Education» und in «Prävention und Gesundheitsförderung». Als (Co-)Autor veröffentlicht er Lehrmittel und diverse Fachartikel. An unserem Lebenskunde-Lehrwerk «Schritte ins Leben» hat er als Berater mitgewirkt.
Mit den Jugendlichen darüber sprechen
Wenn sexuelle Orientierung, Intergeschlechtlichkeit oder Trans* in der Klasse zum Thema wird, sollte darauf eingegangen werden. Indem Sie zeigen, dass ohne Aufregung darüber gesprochen werden kann, nehmen Sie Ihre Vorbildfunktion wahr und tragen dazu bei, Zerrbilder und Vorurteile aufzudecken. So erkennen Kinder und Jugendliche, dass sexuelle Vielfalt und Orientierung selbstverständlich ist und alle Menschen Respekt verdienen. Wird in einer Klasse offen und respektvoll über sexuelle Orientierung und geschlechtliche Vielfalt gesprochen, hilft das denjenigen Jugendlichen, die sich im Coming-out-Prozess befinden oder Vielfalt in ihrem Umfeld (Familie, Peers) antreffen.
Kein Spezialthema daraus machen
«Wir behandeln nun das Spezialthema Trans*, Schwul, Lesbisch, Bi» – in dieser Aussage werden Menschen als etwas Spezielles bezeichnet und dadurch ausgegrenzt. Das Thema sexuelle Orientierung und geschlechtliche Vielfalt kann beispielsweise im sexualkundlichen Unterricht neben anderen Themen eingebracht werden. Wenn das Thema selbstverständlich dazugehört, erhält es auch keinen Sonderstatus, der Nährboden für Diskriminierung und Ausgrenzung sein kann.
Begegnungen mit Menschen schaffen
«Was uns fremd ist, macht uns Angst!» Trotz der Präsenz von Schwulen, Lesben und trans*Menschen in den Medien haben viele Jugendliche wenig oder keinen persönlichen Kontakt zu ihnen. Vermutungen sowie Unwissen sind eine Basis, dass Vorurteile sich festigen und Ausgrenzungen entstehen. Laden Sie einen Menschen in die Schule ein, der von seinem Coming-out oder vom Leben als trans*Mensch erzählt. Dies baut Ängste und Vorurteile ab und schult eine Horizonterweiterung und Sensibilisierung bei Jugendlichen. Filme können als Ersatz dienen, wenn eine Begegnung nicht möglich ist.
Unterrichtsmaterialien prüfen und anpassen
In vielen Lehrmaterialien sind nach wie vor stereotype Rollenbilder vorhanden und sexuelle Orientierung und geschlechtliche Vielfalt wird nicht dargestellt. Wenn Sie mit der Brille einer inklusiven, geschlechterbewussten Haltung die Unterrichtsmaterialien prüfen und wo immer möglich ergänzen und variieren, tragen Sie zu einer Selbstverständlichkeit bei. So können Sie zum Beispiel Bilder einstreuen, auf denen Menschen nicht eindeutig als Mann oder Frau zu klassifizieren sind, oder Lesebücher und Texte verwenden, in denen sexuelle Orientierung und geschlechtliche Vielfalt vorkommen.
Klare Regeln aufstellen und Jugendliche schützen
Diskriminierung, Abwertungen und sexualisierte Gewalt treffen Jugendliche besonders. Diese Verletzungen gilt es als Lehrperson zu verhindern und klare Regeln aufzustellen, mit Einbezug der Jugendlichen. Tolerieren Sie keine Abwertungen durch Begriffe wie «huere Pisser» oder «Schwuchtle». Stellen Sie sich vor ein trans*Mädchen, das gemobbt wird, nachdem es sein Coming-out hatte. Schützen Sie Schülerinnen und Schüler vor Ausgrenzung und Aggression, denen unterstellt wird, lesbisch oder schwul zu sein.
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